Deutsche und polnische Jugendliche auf der Burg

geschrieben am: 21. Juni 2022

Kategorie: Veranstaltungen

Kurz vor den Pfingstferien trafen sich insgesamt 23 Jugendliche aus Deutschland und Polen auf der Burg Liebenzell für eine einwöchige Jugendbegegnung, bei der sie nicht nur Menschen aus einem anderen Land kennenlernen durften, sondern sich auch mit Verfolgung während der NS-Zeit und mit Diskriminierung heute auseinandersetzten.

Die Veranstaltung fand in enger Zusammenarbeit mit der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim (Auschwitz) und durch großzügige Förderung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks statt.

Die Jugendlichen beim gemeinsamen Kennenlernen am ersten Tag der Begegnung.

Andreas Kuhn, Lehrer am Hermann-Hesse-Gymnasium in Calw, berichtete für den Schwarzwälder Boten von der Begegnung:

Die zehn polnischen Jugendlichen trafen mit ihren Begleitpersonen nach einer mehr als 16-stündigen Busfahrt in Bad Liebenzell ein. In den folgenden Tagen erwartete die deutsch-polnische Gruppe ein abwechslungsreiches Programm, das sich historischen und aktuellen Fragestellungen unter dem Thema »Diskriminierung gestern – Diskriminierung heute« widmete.
Neben den Seminarsitzungen, bei denen die Jugendlichen in binationalen Kleingruppen zu den Themen Judenverfolgung im Nationalsozialismus sowie Antisemitismus und Diskriminierung in der heutigen Zeit arbeiteten, standen auch zwei Tagesausflüge auf dem Programm: Im Hotel Silber, der ehemaligen Stuttgarter Gestapo-Zentrale, wurde ein Workshop durchgeführt, anschließend spürte die deutsch-polnische Gruppe dem Schicksal einzelner Stuttgarter Juden anhand von Stolpersteinen nach.

Weiterhin stand eine Fahrt nach Grafeneck auf der Schwäbischen Alb auf dem Programm, wo 1940 insgesamt 10 654 vor allem geistig behinderte Menschen dem NS-Vernichtungsprogramm der »Euthanasie« zum Opfer fielen.
Die Schüler*innen wurden zunächst für dieses bedrückende Thema sensibilisiert, um anschließend – sicherlich der emotionalste Höhepunkt des Tages – ein Gespräch mit einer Opferangehörigen, deren Urgroßvater in Grafeneck ermordet wurde, führen zu können. Neben den Inhalten des Programms standen das gegenseitige Kennenlernen und die gemeinsamen Erlebnisse der deutschen und polnischen Jugendlichen im Mittelpunkt der Begegnung. Bei
den Jugendlichen auf beiden Seiten war ernsthaftes und lebhaftes Interesse am anderen
zu spüren.

Im November wird die deutsche Gruppe mit Jovanna Schneider und Andreas Kuhn nach Oswiecim fahren, um dort – an dem Ort, der wie kein zweiter für die nationalsozialistischen Verbrechen, für Holocaust und Shoah steht – in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte eine weitere gemeinsame Woche mit der polnischen Gruppe zu verbringen.
Es hieß also nicht nur »Auf Wiedersehen!« und »Do widzenia!«, sondern auch »Bis bald!« und »Na razie!«.

Das Programm wurde gefördert vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk.